Glosse zu OGH 7 Ob 219/20m von RA Dr. Bernhard Loimer (am Verfahren beteiligt)
Seit der Entscheidung OGH 7 Ob 1/93 entspricht es der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass in der Kaskoversicherung, welche nur der Versicherung des Eigentümerinteresses an der Erhaltung der versicherten Sache dient, der aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer der versicherten Sache zur Benützung der Sache Berechtigte zwar nicht als mitversichert gilt, vielmehr „Dritter“ ist, dass jedoch die Mitversicherung von anderen Interessen als jenen des Eigentümers der Sache in der Kaskoversicherung möglich ist. Die Erweiterung dieses Sacherhaltungsinteresses des Eigentümers auf Dritte in der Kaskoversicherung gilt aufgrund der aktuellen Entscheidung 7 Ob 219/20m nunmehr auch für die Maschinenbruchversicherung. Sowohl die Kasko- als auch die Maschinenbruchversicherung sind Sachversicherungen, bei denen das Sachersatzinteresse eines Nutzungsberechtigten (z.B. Mieter der Sache) als versicherbar gilt. Die Erweiterung des Versicherungsschutzes auch für Fremdinteressen wird auf § 80 Abs. 1 VersVG gestützt.
Erstes Zwischenergebnis: Nicht nur in der Kaskoversicherung, sondern auch bei einer Maschinenversicherung/Maschinenbruchversicherung ist ein Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nichteigentümers versicherbar. Die Mitversicherung dieses Sachersatzinteresses hat zur Folge, dass der Versicherer im Schadensfall gegen diesen Personenkreis keinen Regress nehmen kann, wenn der Versicherer den geschädigten Eigentümer entschädigt hat.
Eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung ist gemäß § 879 Abs. 3 ABGB nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles einen Teil gröblich benachteiligt. Im Versicherungsrecht liegt eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs. 3 ABGB bereits dann vor, wenn die konkrete Vertragsklausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den ein Versicherungsnehmer von einer konkreten Versicherung erwarten kann. Gemäß § 61 VersVG liegt die Beweislast für das vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführen eines Versicherungsfalles beim Versicherer.
In dem der Entscheidung OGH 7 Ob 219/20m zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Unternehmen A als Mieter vom Unternehmen B als gewerblichen Vermieter eine Maschine, die beim Versicherer C versichert war, angemietet. Der gegenständliche Mietvertrag zwischen A und B beinhaltete auch eine Maschinenbruchversicherung der gemieteten Maschine. Entsprechend der (hier relevanten) Klausel der Miet-AGB des Unternehmens B sollte der Mieter A auch bei Abschluss der Maschinenbruchversicherung dann in vollem Umfang für Schäden bei schuldhafter Herbeiführung eines Schadensfalles haften, „soweit der Mieter nicht nachweist, dass ihn, seine Leute bzw. Dritte lediglich ein leichtes Verschulden trifft.“ Mit der Entscheidung 7 Ob 219/20m wurde diese Klausel, die nicht einer der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, als gröblich benachteiligend und als sittenwidrig gemäß § 879 Abs. 3 ABGB und damit als nichtig angesehen, da es zum Nachteil des Mieters A zu einer Beweislastumkehr für grobes Verschulden kam, welche Beweislastumkehr für das vorsätzlich oder grob fahrlässige Herbeiführen des Versicherungsfalles nach der Standard-Norm des § 61 VersVG beim Versicherer C liegt und nicht beim Mieter A, der von der Versicherung C im Regressweg gemäß § 67 VersVG geklagt wurde.
Zweites Zwischenergebnis: Voraussetzung für den Regreß des Versicherers gemäß § 67 VersVG, der kein grobes Verschulden voraussetzt, ist es, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch gegen den Dritten zusteht. Wird allerdings ein „Dritter“ durch vertragliche Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer der Sache so gestellt, dass sein Sachersatzinteresse als Nutzungsberechtigter als versicherbar gilt und er wie ein Versicherter gestellt wird, dann liegt die Beweislast für ein grobes Verschulden iSd § 61 VersVG beim Versicherer und hat sich der Versicherer bei der Geltendmachung von Ansprüchen gemäß §67 VersVG diese Klausel aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem eigenen Versicherungsnehmer und dem Dritten zurechnen zu lassen.
Fazit: Nachdem im Beweisverfahren ein grobes Verschulden des „Dritten“ an der Herbeiführung des Schaden an der versicherten Maschine nicht festgestellt werden konnte, wurde die Klausel in den AGB der Vermieterin der Maschine (= Versicherungsnehmer) im Verhältnis zum „Dritten“ (= Mieter der Maschine) als sittenwidrig festgestellt und als nichtig betrachtet und gilt dies auch im Verhältnis des Dritten zum klagenden Versicherer, so dass im vorliegenden Fall die Klage des Versicherers gegen den Dritten gemäß § 67 VersVG abgewiesen wurde. Der von der beklagten Partei von Anfang an erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit der aufgehobenen Klausel war von Erfolg gekrönt.